Die Werke des Frankfurter Dichters Johann Wolfgang von Goethe sind von globaler Bekanntheit. Werke wie das Drama “Faust” (1808) sind seit Jahrzenten bereits fest verankert im deutschen Abitur Curriculum, auch wenn vereinzelt Veränderungen bundesweit diskutiert werden [1]. Trotz der internationalen Popularität und einer Indoktrination nahekommenden goethe-literarischen Ausbildung deutscher Jugend, existieren Werke seinerseits, die nicht von selber Berüchtigkeit, jedoch vom selben Schlag sind. Der west-oestliche Divan ist ein Werk Goethe’s, das allem Anschein nach als eine Reaktion auf die Begegnung Goethe’s mit der persischen Literatur entstanden ist [2]. Genauer betrachtet der dichterischen Begegnung Goethe’s mit dem Divan der persischen Dichtlegende Mohammed Schemseddin, bestbekannt als Hafis, den Goethe selbst in seinem Werk als seinen “Zwilling” bezeichnet [3]. Der im 14. Jahrhundert lebende Dichter und Mystiker Hafis, persisch خواجه شمس الدين محمد حافظ شيرازى, trägt diesen Ehrennamen als eine Form Auszeichnung dafür, dass er bereits im Kindesalter die heilige Schrift des Islams, den Koran, auswendig gelernt hat. Die Verbindung zwischen Goethe und Hafis ist über die Studien und entsprechenden Übersetzungen persischer Werke in die deutsche Sprache gebrückt worden, wodurch Goethe dann gegen Ende seiner 50er Jahre den West-oestlichen Divan schaffen konnte. Im Folgenden das Gedicht “Gingo Biloba” [4] als Repräsentativbeispiel.
Gingo Biloba
von Johann Wolfgang von Goethe im West-oestlichen Divan publiziert Stuttgart 1819
Dieses Baum's Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut.
Ist es Ein lebendig Wesen?
Das sich in sich selbst getrennt,
Sind es zwey? die sich erlesen,
Daß man sie als eines kennt?.
Solche Frage zu erwiedern
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Daß ich Eins und doppelt bin?
In diesem Gedicht, aus dem Buch Suleika, spricht Goethe von einer chinesischen Baumart mit selbigem Namen: Ginkgo Biloba [5]. Abbildung 1 zeigt Herbstblätter des Ginkgo Baumes.
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Abbildung 1: Herbstblätter des Ginkgo. Ein typisches Merkaml des Ginkgo Blattes ist dessen symmetrische Spaltung. Ein potentieller Verweis auf seinen “Zwilling” Hafis, der lediglich auf der anderen Blütenhälfte verweilt. |
Eine Interpretation für den ersten Abschnitt vermag ein bildlicher Vergleich zwischen der Ginkgo Blüte und Goethe’s Gewinn durch die Begegnung mit dem nahen Osten zu sein. “Seinem Garten” wird das, was er durch den “geheimen Sinn” zu erleben vermag, ein Teil seines erweiterten Vermögens. Indes bieten all seine Werke viel Raum für den Verstand. Dennoch verbleibt eine ungebändigte Fantasie um den Gedanken “Was wäre wenn?”. Goethe wurde offensichtlich von Hafis, seinen Werken und seiner Kultur, inspiriert. Was wäre gewesen, wenn er nie Zugang zu diesen Übersetzungen gehabt hätte. Was wäre gewesen, wenn er Zugang zu anderen Werken mit potentiell ähnlicher Inspirationswirksamkeit gehabt hätte. All diese alternativen Realisierungsmöglichkeiten Goethe’s Talentes um die Dichtungen kann man sich als einen ungelösten Zauberwürfel in verschiedenen Zuständen vorstellen, in denen die zu beobachtende Farbkompilation variiert. Wer den Vergleich jedoch zu Ende bringen will müsste sich nun fragen, inwiefern die Lösung des Zauberwürfels einem Zustand Goethe’s Werken entspricht. Ist das was die Welt von Goethe und Hafis sehen durfte das “Optimum” und was wäre ein solches? Hätten wir andere Facetten erkennen und erleben können? Welche Bedeutung spielt eine solche Begegnung, wie sie es Hafis und Goethe uns zeigten? Abbildung 2 zeigt eine Goethe-Figur auf einem solchen, jedoch gelösten, Zauberwürfel.
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Abbildung 2: Goethe auf dem Zauberwürfel. Was wäre wenn? Welche Bedeutung spielt eine solche Begegnung, wie sie es Hafis und Goethe uns zeigten? |
Quellen
- A. Scholz, “Goethe, mir graut’s”, ZEIT ONLINE, 2019.
- Wikipedia, “Johann Wolfgang von Goethe”, 2020.
- Wikipedia, “Hafis”, 2020.
- J. W. v. Goethe, “West-oestlicher Divan” (Referenz auf Wikipedia), Cotta’sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1819.
- Wikipedia, “Ginkgo Biloba”, 2020.